Donnerstag, 20. Februar 2014

Interview mit Claudia Lampert



Journalistin, Autorin, Libelle . . .

Ich kenne nur wenige KollegInnen, die trotz thematischer Vielseitigkeit in jedem ihrer Artikel neben der unterhaltsamen Schreibe auch noch inhaltliche Kompetenz und solide Sachinformationen vermitteln. Dazu gehört mehr, als nur Schreiben können, mehr als nur Handwerk. Dazu gehört Interesse, Neugier und Spaß am Wissen. Claudia Lampert ist so eine, die ganz offensichtlich von Wissen nicht genug bekommen kann. Und dann ist da noch ihr offensichtlich mentalsystemimmanenter Humor, der sich gerne auch in satirischen Betrachtungen ergeht. Und Bücher gibt es von ihr, und Fotos und Blogs und einen professionell selbstgestalteten online-shop, in dem sie die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentiert und in dem zu stöbern ebensoviel Spaß macht, wie die Lektüre ihrer Artikel oder der Vita auf ihrer Homepage. Keine Frage, Claudia Lampert hätte bei jeder kreativen Vielseitigkeitsprüfung die Chance auf einen der ersten Plätze. Und so gehört die Kollegin zum Kreis der bemerkenswerten Persönlichkeiten, die ich mir vorgenommen habe, hier im Kulturstrom vorzustellen. Wie könnte es anders sein, im Rahmen eines exklusiven Interviews natürlich.


Kulturstrom: Ihrer Homepage habe ich entnommen, dass Sie ursprünglich so etwas obskures wie Reliquienhändler oder Schmuckeremit werden wollten. Wegen gewisser Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind, haben Sie diese Berufswünsche zugunsten der Tätigkeit als freie Journalistin und Autorin aufgegeben. Nun schreiben Sie über Hühnerrassen und Hochzeitsbräuche, die artgerechte Haltung von Gartenzwergen und die kommunikative Signalwirkung von Fußmatten. Und es sieht nicht so aus, als handele sich das um die Wahl des kleineren Übels. Denn Sie haben offensichtlich ein ganz besonderes Verhältnis zur Sprache und Schrift. Haben Sie diesbezüglich schon einmal Ursachenforschung betrieben?

C. Lampert: Das ist eine schwierige Frage, über die ich jetzt ein paar Tage lang nachgedacht habe. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Das wichtigste in meinem Leben sind stabile, tragfähige Beziehungen, in denen Platz für Austausch und gegenseitiges Vertrauen und Verstehen ist.
Was das mit Sprache und Schrift zu tun hat? Sprache ist für mich nicht nur ein Werkzeug, um Informationen zu übermitteln. Worte transportieren  Emotionen. Worte verletzen und berühren. Mit Worten zeige ich mich – wenn ich mutig und stark bin. Hinter Worten verstecke ich mich – wenn ich feige und müde bin. Mit Worten trete ich mit Menschen in Kontakt – und mit Worten ziehe ich Grenzen und sperre andere aus. Worte sind mir Heimat, wenn ich mich in ihnen finde und mich mit ihnen mitteilen kann, klar und unmissverständlich. Sie sind mir Gefängnis, wenn es nur noch Worte gibt, um Menschen zu berühren, und wenn diese Worte ungehört und unverstanden bleiben.
Sprache ist zweischneidiges Schwert, das uns von anderen abtrennt und uns mit ihnen verbindet. Für mich ist der Umgang mit Sprache immer auch der Umgang mit Menschen. Sprache ist mein Medium, mit dem ich die Isolation durchbrechen und in Beziehung zu Menschen treten kann.  Übers Schreiben sogar mit Menschen, die ich nie gesehen habe.

Kulturstrom: Den Spaß am Skurrilen, am Spott und am möglichst ungewöhnlichen Blickwinkel merkt man Ihnen auch bei den diversen Facebook-Kommentaren an. Und – wie könnte es anders sein - haben Sie mit „Der Dorfpranger. Offizielles Organ für Hohn & Spott aus Zwiebelfalz und Hudelbux“ auch noch einen Satireblog. Vergleicht man den mit Ihrem Blog libellius.de, der ja durchaus einen „Brot- und Butter“-Hintergrund erkennen lässt, scheinen Sie „Dorfpranger“ just for fun zu betreiben. Wo nehmen Sie die Zeit dafür her, oder brauchen Sie das zum Leben?

C. Lampert:  Das Skurrile hat es mir in der Tat angetan, und ich glaube, ich brauche es wirklich zum Leben. Es macht den Alltag zum Abenteuer und das Abenteuer zu etwas, über das man auch dann noch lachen kann, wenn es eigentlich keinen triftigen Grund mehr dafür gibt.
Den Dorfpranger  behandle ich im Moment ehrlich gesagt ziemlich stiefmütterlich. (Zum Glück wird er hin und wieder von seinem geistigen Vater gefüttert …) Ich hoffe, dass ich bald wieder mehr Zeit für Hudelbux und Zwiebelfalz finde. Es ist eine kleine, eigene Welt für sich, in der viel Lebensfreude und Detailliebe stecken. Einige der Knetgummifiguren, insbesondere unser Literaturschaf Elke Heidschnuck, liegen mir doch sehr am Herzen, nicht obwohl, sondern weil sie so widerspenstige Charaktere sind.

Kulturstrom: Ich möchte dieses Interview nicht führen, ohne einen gewissen Gecko zu erwähnen, der sich derzeit gerade überall durch das Netz schlängelt. Für diese Reptilieninvasion sind eindeutig Sie verantwortlich. Haben Sie etwas zu Ihrer Verteidigung zu sagen?

C. Lampert: Es gibt einen Satz, den ich schon immer mal zu meiner Verteidigung vorbringen wollte: „Es ist nicht so, wie es aussieht!“ Ich fürchte aber, er passt jetzt hier  nicht so recht. Daher verzichte ich auf eine Verteidigung und stelle stattdessen eine Behauptung auf:  „Jeder sollte einen Gecko haben!“ Mindestens einen.  Konkret empfehle ich die Anschaffung eines etwa 1,5 cm großen (oder kleinen), rein-weißen Bucher-Geckos. Diese besondere Gattung kommt nur auf Buchrücken von Büchern des Bucher-Verlags vor. Zum Beispiel auf meinem. Ich habe nämlich eins geschrieben. 2007 kam das raus. In 1500facher Ausführung.

Kulturstrom: Als Neuerscheinung kann man „Der Mondgartentraum“ also nicht gerade bezeichnen. Was macht das Buch für unsere LeserInnen denn heute so aktuell?

C. Lampert:  Also bitte! Die große Liebe ist unsterblich und immer topaktuell! Überzeugt nicht? Na gut. Die Wahrheit ist: Nach sieben Jahren durchaus wohlwollender Rückmeldungen aber eher schleppender Verkäufe hat der Verlag mit dem Gecko beschlossen, das Buch zu verramschen. Ich habe beschlossen, dass das deren volles Recht ist und mit mir hoffentlich nichts zu tun hat. Mein Freund hat beschlossen, dass wir den Restbestand übernehmen und selbst verkaufen. Mit „wir“ meinte er „du“, also mich. (Er neigt zu verbalen Unschärfen.) Und jetzt habe ich 300 gleiche Bücher im Keller und nur einen einzigen Erben, der obendrein das Lesen verabscheut. Da kündigt sich also eine Traumatisierung epochalen Ausmaßes an, wenn die Bücher nicht verkauft werden. Das kann ich nicht verantworten. Und weil keiner eine Liebesgeschichte kaufen möchte, verkaufe ich neuerdings eben Geckos. Das ist einfacher.

Kulturstrom: Liebesgeschichte, das klingt ja zumindest in meinen Ohren nicht gerade nach must have. In dieser Hinsicht muss ich mich wohl in die Schublade typisch Mann stecken lassen. Aber manchmal bin ich geradezu verwegen und so habe ich mir zur Vorbereitung unseres Gesprächs die Leseprobe reingezogen. Wunderbar geschrieben, spannend in Aufbau und Handlung und eigentlich ein eigenes Gespräch wert, das wahrscheinlich viel mit Ihrer Antwort auf meine erste Frage zu tun hätte. Also lieber zurück zum Gecko, denke ich. Was, außer dem Inhalt spricht noch für den Kauf des Buches?

C. Lampert: Soso. Sie haben reingelesen. Ich hoffe, das war reine Recherchearbeit ohne weitere Folgen. Nicht, dass Sie womöglich noch mit Ihren Prinzipien brechen!  Das wäre schwer zu verantworten. Also lieber zurück zum Gecko. Diese Geckos sind  wirklich sehr dekorativ, pflegeleicht und obendrein sozial – man kann sie hervorragend mit weiteren Exemplaren, mit Bücherwürmern oder Leseratten halten. Man kann sie auch ohne schlechtes Gewissen verschenken, was bei anderen Haustieren moralisch nicht so ohne weiteres vertretbar ist. Das Buch, mit dem der Gecko geliefert wird, ist  ein sehr hübsches, schlankes Buch in heiter-gelöstem Sonnengelb. Es macht sich ganz hervorragend neben nachtblauen Büchern (für Freunde des Komplementärkontrasts) oder zwischen Langenscheidts Wörterbüchern (für alle, die es lieber Ton in Ton mögen). Außerdem ist es eine kleine, solide Kapitalanlage  fürs Leben: Offset-Druck, Hardcover, Fadenbindung, Schutzumschlag – alles gute, solide österreichisch-schweizerische Qualitätsarbeit. Das hält ewig! (Länger als manche unsterbliche Liebe …) Besonders Männern und notorischen Liebesroman-Verweigerern lege ich es nachdrücklich ans Herz. Immerhin verschafft es dieser Personengruppe bei Besuchen der Fußballfreunde, die das Buch im Regal entdecken, die seltene Gelegenheit, einen Satz zu sagen, den man sonst nur von Till Schweiger hört, und der einfach die beste aller Pauschalausreden ist: „Es ist nicht so, wie es aussieht!“

Kulturstrom: So ganz alleine sind Sie ja wohl nicht. Denn dieses libellius.de firmiert ja unter „Wir“. Ein paar Worte über das Verhältnis der blogbetreibenden Fluginsekten mit dem Zick-Zack-Kurs würden dem investigativen Ruf meiner Interviews recht gut tun.

C. Lampert:  Stimmt, ich bin zum Glück nicht alleine. Sowohl bei Libellius als auch beim Dorfpranger und in allen anderen Lebensbereichen habe ich die Unterstützung meines Freundes und Partners Micha. Er wollte eigentlich Filmemacher werden, ist dann aber mangels Taktgefühl bei der Gesangsprüfung durchgefallen. Das hat ihn so aus dem Takt gebracht, dass er Informatik studiert und sich vor neun Jahren mit einer Österreicherin eingelassen hat, die zwar (ganz objektiv betrachtet!) nicht taktlos, dafür aber sehr unmusikalisch ist. (Mozart hin oder her. Und bevor jemand fragt: Ich kann auch nicht Schi fahren.) Trotz dieser diversen taktilen Unklarheiten ist unsere Beziehung intakt.

Kulturstrom: Auch wenn es immer wieder Vergnügen bereitet, mit Vorurteilen zu spielen, sei es in Bezug auf Männer, Österreicher oder sonstige Minderheiten, Seriosität steht für Kulturstrom natürlich an oberster Stelle. Und so möchte ich zum Schluss doch taktvoll auf den Rest des Lampert-Libellius-Clans überleiten . . . . .

C. Lampert:  Es ist wirklich sehr taktvoll, auf Spott jedweder Art (und sei er noch so unterschwellig) zu verzichten! Sehr taktrein läuft übrigens auch das Pony, das ich als tragenden Teil des Libellius-Teams empfinde. Auf ihr reite ich immer rum, wenn irgendwas gar nicht funktionieren will. Dabei kommen mir die besten Ideen, oder sagen wir mal: Mir kommen Ideen. Falls doch nicht, bin ich wenigstens weit weg vom Rechner und kann nichts kaputt machen. Und dann gibt es da noch meinen  17-jährigen Sohn, besagten wenig leseaffinen zukünftigen Erben, der mit Libellius lieber nichts zu tun hat, denn das ist ja auch „was mit Lesen“. Schlimmer noch: „Was mit Schreiben“. Er unterstützt das Projekt lieber tatkräftig, indem er im Keller sitzt und mit pädagogisch vermutlich wenig wertvollen Spielen regelmäßig die Leistungsfähigkeit unseres Servers und die Stabilität unserer Internetverbindung überprüft.

Kulturstrom: Frau Lampert, ich danke für das Gespräch.

Alle Bilder ©Claudia Lampert/Libellius.de

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