Gespräch mit der Autorin Annette Paul
Äpfel aus
dem Alten Land
vor den
Toren der
Hansestadt Buxtehude
© Annette Paul |
Wolfgang Schwerdt: Hallo
Annette, ich habe einmal in Deinen Büchern und Geschichten gestöbert und dabei
einiges Interessante entdeckt. Abgesehen von der wundervollen Ratte Prinz und
ihrer Rapunzel gibt’s da ja auch noch so einfühlsame Geschichten wie im Albtraum der gestohlenen Gefühle oder
warm und trocken. Die Protagonisten
sind da meist oder gar immer Kinder. Irgendwie habe ich bei der Lektüre aber
das Gefühl, dass es Dir dabei um mehr als Kinderliteratur geht.
Annette Paul:
Manchmal fabuliere ich einfach nur drauflos. Wenn ich
kritische Themen anspreche, versuche ich, sie möglichst leicht und locker
herüberzubringen.
Zur Kinderliteratur kam ich, da ich
als gestresste Mutter jahrelange nur Kinderbücher vorlas, körbeweise aus der
Bücherei herangeschleppt. Als das jüngste Kind in den Kindergarten kam, begann
ich, selbst zu schreiben. Häufig Themen, die bei uns gerade aktuell waren, wie
Freundschaft, Streit und Langeweile.
Illustration
aus: Ratte Prinz im Weihnachtsbaum
"Ich
opfere mich als Vorkoster,
ich will
doch nicht, dass Rapunzel krank wird."
© Krisi Sz.-Pöhls* |
Annette Paul: Da
ruht so einiges in den Tiefen meiner Festplatten. Vieles auch berechtigt. Anderes
wartet darauf, dass ich Zeit habe, mich darum zu kümmern. Allerdings werde ich
wohl nie siebenhundertseitige Wälzer schreiben. Die Zeiten, in denen ich Bücher
nach Gewicht kaufte, sind schon sehr, sehr lange vorbei. Demzufolge schreibe
ich so etwas auch nicht.
Ich finde es schade, dass
Kurzgeschichten aus der Mode gekommen sind. Früher hatte jede Zeitung und
Illustrierte eine Kurzgeschichte oder einen Fortsetzungsroman. Gerade in unsere
schnelllebige Zeit passen Texte, die sich in Bus, Bahn oder einer Arbeitspause
auf dem Smartphone lesen lassen.
Tatsächlich schreibe ich auch
längere Texte. So habe ich schon ein paar Unterhaltungsromane herausgegeben.
Gerade ist der Heftroman „Der Regentanz bringt die Liebe“ erschienen. Dafür ist
allerdings mein Alter Ego „Eva Joachimsen“ zuständig. Annette Paul bleibt der
Kinderliteratur und den Kurzgeschichten treu.
Wolfgang Schwerdt:
Deine Geschichten spielen zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen
Orten und in unterschiedlichen Welten. Wie stößt Du auf die Ideen, was treibt
Dich dabei jeweils an, wie und durch was entstehen die Plots in Deinem Kopf?
Annette Paul: Manche
Geschichten entstehen einfach, ich muss nur schnell genug etwas zum Schreiben
zur Hand haben, damit ich sie nicht wieder vergesse. Viele meiner ganz kurzen
Geschichten sind bei Workshops von Heidrun Schaller entstanden. Sie gab
Aufgaben, Anregungen wie Zitate, Fotos, Collagen und dazu sollten wir dann zehn
Minuten schreiben. Die meisten Teilnehmer schrieben Gedichte, ich immer
Kurzgeschichten ... Manchmal mache ich
es daheim genauso. Ein Foto aus der Zeitung, eine Überschrift, eine Seite in
einem Buch aufschlagen und eine Zeile lesen, anschließend den Küchenwecker
stellen und loslegen.
Andere Geschichten entwickeln
sich durch Ausschreibungen zu Anthologien, wie „Die Tränendiebe“, die ich für
das Buch „Tränen“ des Geest Verlags schrieb.
Wolfgang Schwerdt:
Mit Deinen Leseproben für kleine Schmökerratten und Leseproben für junge
Schmökerfreaks, bietest Du ja nicht nur Deinen Lesern einen tollen Service,
sondern – so könnten viele vermuten - Du unterstützt zudem Deine
schriftstellerische Konkurrenz. Wenn ja, warum eigentlich, oder siehst Du das
ganz anders?
Illustration
aus: Hopser will helfen
"Ob Opa
jetzt schimpft?"
© Krisi
Sz.-Pöhls*
|
Im Ernst: Die Konkurrenz der täglichen
Neuveröffentlichungen ist erheblich größer, als die der vorgestellten Bücher.
Wir Indies, dazu zähle ich auch Autoren aus Kleinstverlagen, können uns keine teure
Werbung leisten. Selbst unsere Zeit ist begrenzt, Beruf und Familie fordern ihr
Recht. Wir können uns den großen Konzernen nur gemeinsam entgegenstemmen, mit Solidarität
und Kreativität den fehlenden Werbeetat ausgleichen.
Wenn ein paar Autoren etwas
verkaufen, weil ich ihr Buch vorstelle, freue ich mich. Auch aus
Eigeninteresse, schließlich werden dadurch die Schmökerratten und die
Schmökerfreaks bekannter. Natürlich freue ich mich noch mehr, wenn „meine“
Autoren Werbung für die Schmökerratten oder die Schmökerfreaks machen. In den
letzten Jahren habe ich durch die drei Blogs viele nette Autoren kennengelernt
und manche unterstützen mich tatkräftig, stellen die Blogs und/oder meine Bücher
auf ihren Seiten vor, twittern oder posten bei Facebook für mich.
Wolfgang Schwerdt:
Trotzdem habe ich gelegentlich das Gefühl, dass Deine Bücher zugunsten der
Schmökerblogs völlig zu Unrecht ein wenig ins Hintertreffen geraten. Zudem
fällt auf, dass auch Du selbst im Netz auch nicht gerade als „Rampensau“
auffällst. Es ist nicht leicht, mehr über Dich zu erfahren als das, was ich im
Vorspann geschrieben habe. Würdest Du meinen Lesern ein wenig mehr über Dich
preisgeben?
Annette Paul: Als Mensch aus einem, ähm, früheren Jahrtausend, der als
Kind einfach bei den Nachbarn klingelte und seine Spielkameraden fragte, ob sie
herauskommen, der als Schüler seine Verabredungen in der Schule traf und nicht per
WhatsApp am Mittagstisch, für den Überwachung bedeutete, dass die Lehrer die
Toiletten nach Rauchern und Schummelzetteln absuchten (wir hatten zum Glück nur
wenige Lehrerinnen an der Schule), der auf Partys seine Gesprächspartner anschaute
und nicht per Smartphone mit ihnen kommunizierte, stehe ich dem Internet etwas
misstrauisch entgegen und bin deshalb etwas zurückhaltender.
Wer weiß, wer da alles mitliest? Vielleicht lande ich
eines Tages im Gefängnis, statt im Altersheim, nur weil ich den Plot eines Thrillers
auf Facebook meinen Kollegen geschildert habe. Mit Pech setzt auch noch ein
Mitleser die Idee in die Tat um. - Obwohl, im Gefängnis ist es vielleicht
interessanter als im Altersheim. Das muss ich mir einmal in Ruhe überlegen.
Um noch einmal auf die Frage
nach der Entstehung der Plots zurückzukommen: In den Antworten zu dieser Fragen
stecken mindestens vier Kürzestgeschichten.
Wolfgang Schwerdt:
Das ist mit auch gerade aufgefallen und ich kann nur hoffen, dass wir die
Ergebnisse bald auf Probeschmökern bei Annette Paul oder das eine oder andere
vielleicht als Gastbeitrag sogar hier auf Kulturstrom lesen können. Apropos Probeschmökern,
was erwartet den Leser eigentlich auf dem Blog Deines Alter Ego?
Annette Paul: Auf dem Blog Eva Joachimsen poste ich nicht nur
Leseproben, sondern Fotos, stelle Ausflugsziele im Hamburger Raum vor und
schreibe übers Tanzen. Vielleicht kommen irgendwann weitere Themen dazu.
Wolfgang Schwerdt: Vielen Dank für
das Gespräch, Annette. Und nicht vergessen, die Geschichten wie „Von Facebook
in den Knast“ etc. zu schreiben.
*Fantasy Art
von Krisi Sz.-Pöhls http://www.salidaswelt.com/html/kinderbucher.html
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