Mittwoch, 19. April 2017

Herman Melville

Eine Biographie

Mit seinem Roman Moby Dick hat sich Herman Melville unsterblich gemacht. Seine anderen Werke wie Redburn, Typee oder Billy Budd sind bei uns deutlich weniger bekannt. Und abgesehen davon, dass Melville selbst auf einem Walfänger gefahren ist, wissen die meisten Leser nur wenig über das Leben und die komplexe Persönlichkeit des zu seinen Lebzeiten recht erfolglosen amerikanischen Schriftstellers. In seiner Biographie erzählt der Amerikanist Arno Heller Melvilles Geschichte und entführt den Leser in die Welt eines zu seiner Zeit weitgehend verkannten literarischen Genies.

Am 01.August 1819 wird Herman Melville mütterlicherseits in die alteingesessene holländisch-amerikanischen Familiendynastie Gansevoort hineingeboren. Auch sein Vater, der Importkaufmann Allan Melville kann auf eine in der amerikanischen Revolutionsgeschichte verankerte Familienvergangenheit zurückblicken. Bis zu seinem 12. Lebensjahr nahm Herman Melvilles Leben einen geregelten, behüteten Lauf, einer gesellschaftlichen Karriere steht auch angesichts wirtschaftlicher Erfolge seines Vaters nichts im Wege. Der aber verspekuliert sich, geht bankrott und nimmt sich 1832 das Leben. Herman muss die Schule abbrechen und einen Job annehmen. Dieser und weitere familiäre Schicksalsschläge lassen aus den soliden Start ins Leben zu einer sehr wechselhafte Berufskarriere Herman Melvilles werden. 1839 heuert Melville als Hilfsmatrose auf einem Handelsschiff in d er Atlantikfahrt an, 1841 schließt sich nach vergeblicher Jobsuche an Land die Reise auf dem Walfänger Acushnet an. Lange hält es ihn nicht an Bord, er desertiert auf die tropische Marquesas-Insel Nukuhiva, gelangt auf einem australischen Walfänger nach Tahiti, wird wegen Meuterei ins Gefängnis gesteckt, entkommt aber und kehrt über mehrere weitere Stationen auf Inseln und an Bord von Schiffen im Oktober 1844 nach Boston zurück.

Am eigenen Genie gescheitert

Die fünf Seefahrerjahre stellen bereits die abenteuerlichste Phase im Leben des Schriftstellers dar, der 1847 mit der Heirat von Elisabeth Shaw seine bürgerliche Existenz beginnt. Auch sein schriftstellerisches Schaffen währt gerade einmal rund 13 Jahre, bis zu seinem Lebensende am 28. September 1891 widmet sich Melville nur noch seinen Gedichtsammlungen, denen allerdings ebenso wie vielen seiner Prosawerke kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden ist. Auch wenn sich Melville unter dem wirtschaftlichen Druck immer wieder an sogenannten „literarischen Brotarbeiten“ versucht, seine Kompromisslosigkeit lässt ihn letztendlich zu seinen Lebzeiten scheitern. 20 Jahre nach seinem Tod entdeckt man in seinem Nachlass das Romanfragment Billy Budd. Dessen Veröffentlichung läutet schließlich die Wiederentdeckung des Schriftstellers ein, der mit seinem Werk gewissermaßen posthum in der Zeit angekommen ist, der es in schriftstellerischer und philosophischer Hinsicht entspricht.

Eine Entdeckungsreise durch Melvilles Leben, Werk und Psyche

Mit seiner Biographie führt Arno Heller seine Leser nicht nur durch das komplizierte Leben und die komplexe Persönlichkeit des Schriftstellers, sein literarisches Schaffen und seinen künstlerischen, literarischen und geistigen Kosmos. Er vermittelt auch die historischen Hintergründe und den Zeitgeist, der Melvilles literarische Erfolge, Misserfolge, Lebenssituationen und den daraus resultierenden psychischen Druck nachvollziehbar werden lassen. Dabei integriert der Autor Auszüge aus Melvilles auch in ihrer Intention vorgestellten Werken so geschickt in die Biographie, dass seine teils neuen Erkenntnisse zur biographischen Authentizität der Romane für den Leser plausibel sind. Nach der Wiederentdeckung Melvilles sind bereits eine Reihe von teils außerordentlich umfangreichen Biographien und Werkanalysen erschienen. Arno Hellers Publikation ist dabei von vergleichsweise bescheidenem Umfang. Trotzdem ist seine Biographie eine gut lesbare, runde und vor allem überzeugende Sache, die auch dem nicht literaturwissenschaftlich vorbelasteten Leser den genialen Verfasser des legendären Moby Dick und sein Lebenswerk persönlich näher bringt.

Arno Heller: Herman Melville. Lambert Schneider 2017. Gebunden mit Schutzumschlag, 320 Seiten.

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